Baron Blood (1972) - Mario Bava (2024)

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Der Amerikaner Peter Kleist (Antonio Cantafora) reist nach Österreich um dort etwas über seine Herkunft zu erfahren. Er ist der direkte Nachkomme des Barons Otto von Kleist, auch der Blutbaron genannt, der vor einigen Hundert Jahren für Angst und Schrecken unter der Bevölkerung gesorgt hat. Im Gepäck hat er eine alte Beschwörungsformel, die er zusammen mit der Architektin Eva Arnold (Elke Sommer) in einer Nacht zum Spaß ausprobiert. Kurz darauf scheint eine unheimliche Macht zu ihnen gelangen zu wollen und sie sprechen schnell eine Gegenformel. Unsicher, was denn in der Nacht wirklich passiert ist, versuchen sie das Experiment in der folgenden Nacht noch einmal. Dabei wird aber das Papier mit der Gegenformel versehentlich vernichtet und ein unheimliches Wesen tötet in der Folge mehrere Menschen. Gleichzeitig kauft ein geheimnisvoller Amerikaner namens Alfred Becker (Joseph Cotton) das Schloß ...

Der schon fast als "Spät-Bava" geltender Baron Blood stellt fast als eine Art Best-of Programm bekannter Motive und Elemente aus vorhergegangenen Filmen des italienischen Regisseurs dar. Aus La Maschera del Demonio (Die Stunde wenn Dracula kommt) ist die Wiederauferstehung eines Toten bekannt, in einer Szene schält sich der Blutbaron in einer ähnlichen Art und Weise aus dem Grab wie Javutich, und wie der leicht verrückte Hausmeister Fritz (Luciano Pigozzi) aus dem Leben scheidet erinnert deutlich an das Aufsetzen der Maske aus diesem Film, inklusive einer Einstellung aus der Sicht des Opfers. Die Wendeltreppe aus Operazione paura (Die toten Augen des Dr. Dracula) wird hier ebenfalls zitiert und die rothaarige Tochter von Peters Onkel Karl (Massimo Girotti) wirkt wie ein Equivalent zu dem geheimnisvollen weißhaarigen Mädchen. Der Tod des Architekten Dortmundt (Dieter Tressler) wird durch das Baumeln an einem Galgenstrick abgeschlossen, was Erinnerungen an Reazione a catena (Bay of Blood / Im Blutrausch des Satans) wach ruft, wie auch das Alfred Becker in einem Rollstuhl sitzt. Und ein spezielles Schreckerlebnis für Elke Sommer erinnert an einen Moment in Bavas Science Fiction Thriller Terrore nello spazio (Planet der Vampire). Außerdem finden sich auch weitere Zitate von Sei donne per l'assassino (Blutige Seide) oder I tre volti della paura (Drei Gesichter der Furcht) in dem Film.

Davon aber einmal abgesehen, bietet Baron Blood solide Schauerunterhaltung, die aber nicht so ganz mit Bavas früheren Klassikern mithalten kann. Die Grundgeschichte ist altbekannt: durch eine Beschwörung wird eine übernatürliche Macht erweckt und verzweifelt wird versucht, dies wieder rückgängig zu machen. Der weitere Verlauf der Handlung gestaltet sich da ähnlich und verläßt höchst selten mal konventionelle Bahnen. Dabei kommt aber ab und zu eine für Bava etwas ungewohnte Art von Humor durch, denn z.B. ist es für einen von den Toten wiederauferstandenen in der Filmwelt doch recht unüblich, als erstes einen Arzt aufzusuchen um die blutenden Wunden versorgen zu lassen. Auch sind Elke Sommers Schreiattacken schon fast als over-the-top zu bezeichnen.

Was dem Film leider in der ersten Hälfte mangelt ist die nötige Atmosphäre, um für ein wohliges Schauergefühl zu sorgen. Im Gegensatz zu vielen seiner früheren Filme wurden die meisten Szenen recht nüchtern inszeniert. Erst wenn die Kamera ins innere der Burg gelangt wird es atmosphärisch etwas dichter. In der zweiten Hälfte bessert sich dies, denn sobald Elke Sommer durch die nebelverhangenen Gassen der Stadt von dem unheimlichen Baron verfolgt wird, kommt wieder der "typische Bava" durch. Viel Nebel, ein minimaler Einsatz von Musik und verschiedenfarbige Ausleuchtungen lassen die Verfolgung zu einem (alp-)traumhaften Erlebnis werden.

Gedreht wurde in der Korneuberg Burg, die ca. 20 Kilometer von Wien entfernt liegt und vor allem als Museum bekannt ist. Für Elke Sommer war dies ihr erster Horrorfilm und auch die erste Zusammenarbeit mit Mario Bava, von dem sie zuvor nur Gutes gehört hatte und daher gerne mit ihm drehen wollte. Diese Zusammenarbeit zog sich auch noch bis zu Bavas nachfolgendem Lisa and the Devil durch, wo Elke Sommer ebenfalls die Hauptrolle spielte. Produziert wurde der Film von dem eigentlich in Amerika ansässigen Alfredo Leone, der Bava nicht davon überzeugen konnte in den USA zu drehen, da der nur ungerne sein Heimatland verließ. Die Burg als Schauplatz der Handlung gefiel ihm allerdings sehr gut, so dass er die Arbeit gerne aufnahm. Die Rolle des Alfred Becker wurde zuerst Vincent Price und Ray Miland angeboten. Aber Price wollte wegen des mißglückten Spie vengono dal semifreddo (Dr. Goldfoot and the Girl Bombs) nicht mehr mit Bava arbeiten (der Film war eine reine Auftragsarbeit für Bava in die er nicht viel Elan reinsteckte) und Ray Miland war es nicht möglich nach Europa zu kommen. Für Joseph Cotten war hingegen Baron Blood der Auftakt einer ganzen Reihe von Italo-Arbeiten. Die Aufnahmen ganz zu Anfang im Flugzeug wurden in einer echten Boeing 747 aufgenommen, dieser Film war damals der erste dem dieses Privileg zuteil wurde. Trotzdem hatte Bava für Baron Blood weniger Budget zur Verfügung als bei manchen seiner Filme aus dem 1960er Jahren. Wie schon früher übernahm American International Pictures den Vertrieb in den USA, konnten sich aber auch hier nicht zurückhalten und kürzten den Film um einige Szenen und ließen von Les Baxter einen neuen Soundtrack anfertigen.

Für Mario Bava war Baron Blood der letzte Ausflug in den Bereich des Gothic-Horrors. Danach folgte der eher poetisch angehauchte Lisa e il diavolo (Lisa and the Devil), der zuerst in einer mißhandelten Fassung namens House of Exorcism als Klon von The Exorcist verkauft wurde. Danach folgten nur noch das Kidnapper-Drama Cani arrabbiati (Rabid Dogs) und der Horrorfilm Shock, sowie seine Arbeit für Dario Argentos Inferno. Elke Sommer war nach Baron Blood und Lisa and the Devil in Filmen wie And Then There Were None (10 kleine Negerlein / Ein Unbekannter rechnet ab), Pronto ad uccidere (Tote pflastern seinen Weg) und tauchte sogar in einer Nebenrolle als "Frau Lust" in dem deutschen Versuch eines Slasherfilms namens Flashback - Mörderische Ferien auf.

Joseph Cotton ist natürlich durch die Klassiker Citizen Kane und The Third Man (Der dritte Mann) bekannt, war aber auch in Genreproduktionen wie The Abominable Dr. Phibes (Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes), La Figlia di Frankenstein (Lady Frankenstein), L' Isola degli uomini pesce (Die Insel der neuen Monster) oder Soylent Green (Jahr 2022... die überleben wollen) zu sehen. Massimo Girotti spielte direkt nach diesem Film in Ultimo tango a Parigi (Der letzte Tango in Paris) und Kenner der Filme von Mario Bava werden Luciano Pigozzi sicherlich aus La Frusta e il corpo (Der Dämon und die Jungfrau), Sei donne per l'assassino (Blutige Seide) oder Il rosso segno della follia (Hatchet for the Honeymoon) kennen.

Interessant ist hier auch der Auftritt von Rada Rassimov in einer Doppelrolle als Medium Christina Hoffmann und dem von ihr heraufbeschwörten Geist von Elisabeth Holle. Rada Rassimov kann nicht auf eine Filmographie wie ihr Bruder Ivan Rassimov zurückblicken, war aber in Filmen wie Il buono, il brutto, il cattivo (Zwei glorreiche Halunken), Non aspettare Django, spara (Django - Dein Henker wartet) oder Il gatto a nove code (The Cat o' Nine Tails / Die neunschwänzige Katze) zu sehen gewesen. Antonio Cantafora lief dem Italo-Fan kürzlich noch in Dario Argentos The Card Player über den Weg, spielte früher aber auch in E Dio disse a Caino (Satan der Rache) oder Demoni 2 (Demons 2) mit. Ebenfalls sehr bekannt dürfte auch noch Nicoletta Elmi sein, das rothaarige Mädchen. Die sorgte unter anderem noch in Reazione a catena (Bay of Blood / Im Blutrausch des Satans), Flesh for Frankenstein, Profondo Rosso (Deep Red / Rosso - Die Farbe des Todes] oder Demoni (Demons) für sehr markante Auftritte.

Die US-DVD von Image Entertainment wurde als erste in der dortigen "Mario Bava Collection" veröffentlicht und hat nun mittlerweile so einige Jahr auf den Buckel. Glücklicherweise wurde aber die europäische Version des Films auf DVD gebracht und nicht die veränderte Fassung von AIP. Die Bildqualität war damals schon nicht die beste. Bildrauschen, Blockbildung, eine viel zu extreme Schärfe und damit verbundene Doppelkonturen sowie einige andere Mängel lassen optisch keine Freude aufkommen. Außerdem sind auch häufig Macken des Urspungsmaterials zu sehen. An Soundoptionen gibt es auch nur die englische Tonspur und keinerlei Untertitel. Neben dem Trailer, den Informationen über Regisseur und Schauspieler und einer kleinen Foto-Gallerie gibt es nur noch Liner Notes von Tim Lucas, die sind aber wie immer recht informativ.

Nach einigen Jahren kam dann in Mario Bavas Heimatland Italien von Raro Video eine neue DVD heraus. Das Bild von dieser DVD ist endlich anamorph, das Master besaß weitaus weniger Defekte und Verschmutzungen und auch digitale Beeinträchtigungen sind hier kaum auszumachen. Nur die Schärfe kann auch hier nicht ganz überzeugen, insgesamt wirkt alles ein bißchen weich. Hier gibt es aber neben dem englischen Ton (größtenteils wurde der Film auf Englisch gedreht) auch die italienische Synchronisation sowie italienische und englische Untertitel. Eigens für diese DVD wurde die Dokumentation "Il Castello dell 'Orrore" (grob übersetzt: Schloß des Horrors) angefertigt, die sich aus mehreren Interviews zusammensetzt. Zu Wort kommen hier Mario Bavas Sohn Lamberto und Enkel Roy Bava, der amerikanische Regisseur Joe Dante, Filmkritiker Stefano Dellacasa und Biograph Alberto Pezzotta. Hier geht es vor allem um Bavas damalige Stilmittel den Film zu inszenieren und welchen Einfluß er auf die Filmwelt hat. Ansonsten gibt es nur noch eine Biographie über Mario Bava in Italienisch und Englisch und die dazugehörige Filmographie sowie relativ kurze Liner Notes im Booklet, ebenfalls in zwei Sprachen.

In der "The Films of Mario Bava" Reihe von EMS ist der Film auch hier in Deutschland herausgekommen. Wie bei allen DVDs aus dieser Reihe kann schon die Verpackung begeistern. Die Amaray-Hülle wird von einem Pappschuber umschloßen, den ein altes Plakatmotiv ziert. Die DVD-Hülle selbst bietet ein weiteres altes Motiv, in dem der Filmtitel noch den Zusatz "Willkommen in der Folterkammer des" (...Baron Blood) bekommen hat. Das Hauptmenü ist einfach, aber sehr stimmungsvoll animiert. Der gute Bildtransfer der italienischen DVD konnte hier übernommen werden. Zwar meint man im direkten Vergleich, dass die italienische DVD einen Tack schärfer ist, allerdings ist dies kaum messbar und so kann man beide Veröffentlichungen als gleichwertig ansehen. Neben dem englischen und italienischen Ton gibt es hier auch eine deutsche Synchronisation. Die ist von der Klangqualität zwar ganz gut, aber da die erst irgendwann in den 1990er Jahren für den TV-Sender RTL2 angefertigt wurde, kann man sich schon denken das es ihr an der nötigen Atmosphäre fehlt. Ganz passabel, aber auch nicht wirklich toll.

Was die Extras angeht, so kann EMS die italienische DVD sogar noch übertrumpfen. Die "Il Castello dell 'Orrore" Dokumentation konnte von der italienischen DVD übernommen werden und wurde mit deutschen Untertiteln versehen. Exklusiv für diese DVD wurde sogar Kontakt zu Elke Sommer aufgenommen, die den Zuschauer vor dem eigentlichen Hauptmenü sogar in einer kurzen Einleitung begrüßt. Das Interview mit ihr trägt den Titel "Marios Scream Queen" und hat eine überraschend lange Laufzeit von knapp über einer halben Stunde (inkl. einiger Filmclips). Hier erfährt man, dass sie die meisten ihrer Film eigentlich nie gesehen hat und auch nie sehen wollte und hat sich somit auch Baron Blood erst vor dem Interview zum ersten Mal überhaupt angeschaut. Elke Sommer zeigt sich sympathisch und sehr redefreudig, kann sich noch an vieles erinnern und hat somit auch einiges zu erzählen. Dabei dreht sich das Gespräch aber nicht nur um Baron Blood, sondern ebenfalls um einige andere Dreharbeiten, unter anderem auch Lisa and the Devil. Die weiteren Extras sind der Originaltrailer (in einer fürchterlichen Qualität), eine größere Bildergalerie, Bio- und Filmographien zu Elke Sommer und Mario Bava und der übliche Werbeteaser für das "All the Colors of the Dark" Buch von Tim Lucas. Dessen Liner Notes von der amerikanischen DVD wurden im übrigen auch für das Booklet übersetzt.

Zum Abschluß noch den Bildvergleich für alle drei DVD-Veröffentlichungen: Bildvergleich Image Entertainment - RaroVideo - EMS

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 25.05.2000
Letzte Textänderung: 03.08.2006

Baron Blood (1972) - Mario Bava (2024)
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Author: Horacio Brakus JD

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